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Tag 11: Rybnik - Nysa

Endlich wieder SonneEine Strohschnecke am WegesrandAm nächsten Morgen ist es zumindest erst einmal trocken. Ich möchte fast sogar von gutem Wetter sprechen! Das recht hohe Gebäude des Hotels belohnt uns mit einer sonnigen Aussicht über Teile der Stadt. Wir packen unseren Kram und bringen unser Gepäck herunter zur Rezeption, um dort nach unseren Rädern zu fragen. Uns wird die Tür geöffnet, wir holen die Räder, die dort offensichtlich die Nacht auch ganz passabel rumgebracht haben. Draußen laden wir den ganzen Krams auf, schmieren die regengestressten Ketten noch einmal, ich entferne einen Metallspan, der aus der vorderen Bremse schaut, und los geht's.
Zwar ist es kühl, aber die Sonne scheint wieder. Der Regen vom Vortag wirkt plötzlich weit weg. Na gut, dafür bleibt uns der Gegenwind, der uns nicht gerade sanft um die Nase fegt. Wir kämpfen uns dennoch gen Westen weiter. Auf der Karte haben wir bereits gesehen, dass wir heute ein eher unscheinbares Flüsslein zu überqueren haben. Odra heißt er und ist kein geringerer als die Oder, die weiter nordwestlich die Grenze Polens zu Deutschland bilden wird.
Um nicht zu große Wege fahren zu müssen, wollen wir die Fähre in Ciechowice nutzen, um überzusetzen. Wir finden den Weg dort hin verhältnismäßig leicht. Das Schild zeigt, mit was für einer Riesenfähre wir es zu tun haben werden. Auch die Fährzeiten sind angeschrieben. An der Fähre angekommen schrumpfen die Verhältnisse zusammen: Die Oder ist hier zwar zu groß zum Drüberspringen, die Neiße in Zittau kann da aber locker mithalten. Die Fähre ist an diese Größe angepasst. Und auch der Fahrplan scheint lange nicht so groß, wie man sich das wünschen könnte: Die Fähre liegt fest auf der anderen Seite, ein Hund schaut gelangweilt zu uns herüber, aber weit und breit kein Mensch, der bereit wäre, den Kahn zu uns rüber zu fahren um uns überzusetzen. Was bleibt? Wir dürfen einen nicht gerade kleinen Umweg über Racibórz im Süden fahren. Dort ist die nächste Brücke, davor gibt es nichts. Na gut, nutzen wir es für einen Einkauf im nächsten Dorfsupermarkt (Frustwaffeln im Gegenwind) und fahren wir halt weiter. Die Stadt selber ist dann so ganz gemütlich. Im Zentrum machen wir Mittagspause, genießen die Sonne. Stephie geht noch einmal kurz in einen Supermarkt, um uns für den restlichen und den kommenden Tag nicht verhungern zu lassen. Danach geht's wieder raus aufs Land. Wir kommen nun in Gegenden, denen man ansieht, dass sie irgendwann mal deutsch waren. Teilweise stehen die alten deutschen Namen noch mit an den Ortseingangsschildern. So finden wir auch ein Olbersdorf, was doch ganz witzig ist, wenn man bedenkt, dass dies auch das Endziel unserer Radreise sein wird.
Über viele nette, kleine Straßen fahren wir oft übers Land, hin und wieder durch Dörfchen. Wir wollen nach Nysa, dort soll es einen Campingplatz geben. Wir geben die Hoffnung halt nicht auf. Auf der Straße 407 rollen wir langsam schon wieder in der Abendsonne dahin. Immerhin wird der Wind gegen Abend hin weniger. Unterwegs dann noch eine Baustelle. Wir haben keine Lust auf die Umleitung und probieren, ob wir durch kommen. Obwohl da eine Brücke gebaut wird, klappt das problemlos und auch die Menschen, die wir dort treffen, bestätigen, dass wir da durch kommen und wünschen uns eine gute Weiterfahrt. Ich glaube, wir haben wieder einen gewissen Flow, was sicher auch am guten Wetter liegt.
Mit der schwindenden Sonne schwinden auch die Temperaturen wieder und es wird frischer. In der Stadt angekommen, schauen wir uns nach dem Campingplatz um. Uns ist klar, dass er nicht auf dem Marktplatz sein wird, aber wir wollen schauen, ob es dort irgendwo eine Umgebungskarte gibt. Wir teilen uns zur Suche auf und während ich etwas suchend umherschaue, spricht mich ein Mann an, ob er helfen könne. Schnell bemerkt er, dass ich leider nicht so viel Polnisch verstehe und schaltet in ein ziemlich gutes Deutsch um. Er hatte mal eine Freundin im Ruhrgebiet, daher könne er das ganz gut. Und er fände Radfahren gut, sei aber vor einiger Zeit schwerer gestürzt, weswegen er im Krankenhaus gewesen sei. Aber was noch viel wichtiger ist: Er weiß, wo der Campingplatz ist und - noch besser - er will uns den Weg zeigen.
Wir haben für heute ja erst etwas mehr als 100km in den Beinen, aber er fährt flott vor uns her mit seinem kleinen Auto, achtet darauf, dass wir nicht zu sehr abfallen und dass er dennoch nicht den motorisierten Verkehr behindert, hält immer wieder mal an um zu warten und führt uns schließlich aus der Stadt heraus auf eine kleine Nebenstraße, die uns zum Camping hinführen soll. Mit einem Augenzwinkern weist er uns darauf hin, dass der Radweg, der daneben ausgeschildert ist, eher schlecht sei und dass wir ihn nicht benutzen müssten (auch rechtlich nicht). Der Kerl ist mir sympathisch. Er erklärt uns noch den Weg ein wenig weiter, dann verabschiedet er sich von uns und wir bleiben fasziniert von der Hilfsbereitschaft zurück.
Die kleine Straße ist durchaus nett zu fahren und bringt uns an einen Stausee, an dem der Campingplatz ist. Und in der Tat, dort gibt es allerhand Ferien-Einrichtungen, aber alle sehen sehr, sehr verlassen aus. Ein Jugendlicher, den Stephie nach dem Campingplatz fragt, erzählt, dass es in letzter Zeit viel geregnet hätte und der Platz unbenutzbar sei. Dann kommt der Geschäftssinn durch und er bietet uns an, in die Unterkunft seiner Mutter einzukehren. Er lässt dabei nicht locker, aber wir wollten ja doch eigentlich mal wieder im Zelt schlafen. Also bedanken wir uns für das Angebot und fahren dort hin, wo wir den Campingplatz vermuten.
Weit und breit kein Zelt, kein Wohnwagen, nur Ferienhäuser finden wir in so einer Art Ferienpark. Als wir auf der anderen Seite wieder raus sind, lesen wir auf dem Eingangsschild, dass dies wirklich der Campingplatz sein soll. Sogar eine Rezeption ist in der Karte verzeichnet, die aber geschlossen ist. Wir fragen in dem kleinen Restaurant vorn am Parkplatz nach. Heute sei die Rezeption geschlossen, wir müssten dann halt morgen früh dort hin. Na gut, wir suchen uns jetzt mal in dem Gelände einen Platz, bauen das Zelt auf, freuen uns über die wenigen Laternen, die wenigstens ein bisschen Licht ins Dunkel des ansonsten komplett verlassenen Platzes bringen. Das Sanitärgebäude, das nicht so weit weg ist, ist - wer hätte es erwartet - geschlossen. Auf der Rückseite gibt es immerhin Wasserhähne, so dass wir Wasser zum Kochen und Zähneputzen haben. Für ausgiebige Körperpflege ist es dann doch zu kalt. Am Stausee, an dem wir uns befinden, gehen am Abend noch ein paar Pärchen spazieren, eins davon spaziert per Auto an die "Klippe", wie man sich das halt so vorstellt. Dank mobiler Toiletten hat man wenigstens ein bisschen das Gefühl von Zivilisation. Mit der Kälte der Nacht sind wir nach dem Kochen doch ganz froh, in den Schlafsack krabbeln zu können. Camping scheint im September in Polen kein Volkssport zu sein...

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